Erst angezählt, dann ausgeknockt Apr 08, 2014

Aus, Schluss, vorbei: Nach mehr als drei Jahrzehnten lässt das ZDF den altgedienten Show-Dinosaurier „Wetten, dass…?“ verenden. Es war und wird ein qualvoller Abgang. Erst Ende 2014 wird das legendäre Sofa eingemottet. Die BILD fragt schon besorgt: Wo sollen die Promis dann Platz nehmen? Der mediale Abgesang auf die Sendung – der im Grunde schon seit Jahren ertönt – schwillt jetzt noch einmal an. Dann ist Ruhe. Hoffentlich.

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Der offizielle Abgesang des ZDF auf die Show. Hier das Video aus der Mediathek.

War es das Konzept, das sich totgelaufen hatte? Die Konkurrenz durch schnellere Formate? Oder ein hoffnungslos überforderter Moderator? Klar ist, dass Lanz in seiner kurzen Zeit für viele der peinlichsten Momente in der Geschichte der Show verantwortlich war. Nicht zu reden über die gähnende Langeweile. Vermutlich war es aber am Ende doch die eine schlichte Zahl, die für „Wetten, dass…?“den Todesstoß bedeutete: sechs Millionen. Die niedrigste Zuschauerzahl aller Zeiten.

Schon am 24. März war es im Handelsblatt für alle zu lesen, als Intendant Thomas Bellut auf die Frage nach der Zukunft der Sendung antwortete: „Ich weißes wirklich nicht. In diesem Jahr werden wir sehen, wie stark die Marke noch ist.“So äußern sich Manager, die den Resonanzboden für eine bereits getroffene Entscheidung bereiten wollen. Allein an diesem Zitat lässt sich gut das kommunikative Prinzip des Abgangs mit Ankündigung ablesen –so schon erlebt bei Ministern, Aufsichtsräten und Vorständen. Oder gar bei Unternehmen, deren Mitarbeiter die News vom Jobabbau aus den Medien erfahren durften. Immer noch Alltag in Deutschland.

Sehr schön in diesem Kontext auch der Satz von Thomas Gottschalk: „Dann hätte ich das Ding auch gleich selbst an die Wand fahren können.“Es verwundert nicht, dass er über das plötzliche Ende überrascht war oder zumindest so tat. Denn Kritik von außen perlte an der Sendung und an ihm fast vollständig ab. Und –wir erinnern uns –Gottschalk musste bei „Wetten, dass…?“viel aushalten. Viel mehr, weil länger, als Markus Lanz, Online-Petition hin oder her. Das Medienritual hieß über Jahre hinweg: Wer prügelt härter auf „Wetten, dass…?“und den Moderator ein? Gut, dass es jetzt vorbei ist. Einerseits.

Andererseits wird uns und vor allem den Medien ohne „Wetten, dass…?“auch etwas fehlen. Eine Sendung, die immerhin noch sechs Millionen Zuschauer anzieht und die verbindet. Gesprächsstoff, über den wir online und offline trefflich diskutieren, schimpfen und lästern können. Wir kennen den Effekt, den der Show widerfahren ist, von anderen stark in die Gesellschaft verankerten Marken. Sie sind für uns so selbstverständlich, dass sie uns alle angehen, wir im Zweifel aber mindestens eine Meinung dazu haben. Marken wie diese ziehen Kritiker an, wie die Motten das Licht umschwirren. Die vermeintlichen Meinungsführer prägen dann das Bild, während die (oft zufriedene) Mehrheit schweigt. Die Kritik wird immer lauter, Medien verstärken das Thema, Social Media tut sein Übriges. Positiv Position zu beziehen, noch dazu öffentlich, gehört wohl nicht automatisch zu unserem Selbstverständnis. Viel lieber echauffieren wir uns, auch weil es Spaßmacht. Wir sind dann wahlweise Bundestrainer, Bahnmanager, Flughafenbetreiber oder eben TV-Indendant. Am Ende steht ein Produkt, das sich wirklich in Schwierigkeiten befindet –zumal wenn, wie im Fall von „Wetten, dass…?“, die Verantwortlichen mit viel Verve dazu beitragen, ihre Marke selbst ins Abseits zu schießen.

„Wetten, dass…?“war es zuletzt nicht mehr gelungen, zu punkten. Die Show löste zum Ende vielleicht auch deshalb so viele negative Emotionen aus, weil sie für viele Menschen ein Stück Heimat war. Man wollte so lange wie möglich an der Illusion festhalten, dass diese eine TV-Sendung Großeltern, Eltern und Kinder Samstagsabends auf dem Sofa zusammenbrachte. Der Traum ist jetzt zerplatzt und wird vermutlich durch einen anderen ersetzt. Nur: Haben DSDS, Dschungelcamp & Co. wirklich das Format dafür? Ich jedenfalls freue mich auf die positiven Berichte zu den letzten Ausgaben von „Wetten, dass…?“, die jetzt kommen werden. Hoffentlich.

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

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