Der geniale PR-Coup der „Süddeutschen Zeitung“ Apr 11, 2016

Der Artikel ist am 7.April auf horizont.net erschienen.

Der Begriff Kampagnen-Journalismus hat oft diesen bitteren Beigeschmack. Im Falle der Panama Papers ist den Redakteure der „Süddeutschen Zeitung“ und dem beteiligten International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) aber nicht nur ein veritabler journalistischer Scoop gelungen, sondern eben auch genau das: eine verdammt gute Marketing-, vulgo PR-Kampagne, die nichts dem Zufall überließ. Ein Meisterstück, das künftig anderen Verlagen – aber auch klassischen Marken – als Best Case für Content Marketing dienen kann: exzellent getaktet, international ausgerollt und über alle Kanäle gespielt.

Da wäre zu einem die Aufbereitung: Die eigens aufgelegte Website, die als zentraler Content-Hub dient, überzeugt handwerklich, inhaltlich und optisch. Es gibt viel zu entdecken, auch links und rechts der eigentlichen Story bietet die Süddeutsche Content-Snippets an. Natürlich sind die Inhalte multimedial aufbereitet, das Video und Grafiken findet man ebenso wie Social-Media-Beiträge.

Dem geneigten Kommunikationsprofi kommt dieser Ansatz mehr als bekannt vor. Via Print und Social Media wird die Geschichte weitererzählt, das bereits angekündigte Buch zu den Panama Papers macht das „Transmediale Storytelling“ beinahe komplett. Fehlt nur noch der Film zur Geschichte. Aber wer weiß: Der Oscar-prämierte „Spotlight“ hat zuletzt vorgemacht, wie aus journalistischer Recherchearbeit Stoff für Hollywood wird.

Aber wir schweifen ab. Zurück zur „Süddeutschen“ und ihrem Coup, bei dem mich vor allem die Taktung beeindruckt hat. Eine Punktlandung. Man muss sich das einfach mal vorstellen: Über Monate hinweg haben mehr als 400 Journalisten auf den Veröffentlichungstermin hingearbeitet und tatsächlich dichtgehalten. Dabei haben die Macher sogar Zeit gefunden, regelmäßig Making-of-Material zu produzieren. Weil sie eben nicht nur an die Geschichte, sondern immer auch die Vermarktungs-Aspekte strategisch im Blick hatten.

Am 3. April, clever gewählt ein Sonntag, konnten sie dann den Schalter umlegen und die Print-Konkurrenz nahezu überrumpeln. So lenkt man die volle Aufmerksamkeit aufs eigene Blatt und Marke, den Traffic auf die eigene sozialen Kanäle. Bei aller Kritik an der Auswahl – dass die Journalisten Menschen wie Putin, den isländischen Premier und Mitglieder der FIFA-Kommission in den Mittelpunkt ihrer Geschichte rückten, ist dann letztlich nur noch das Sahnehäubchen auf der PR-Kampagne. Denkt jedenfalls der PR-Mann in mir, getreu dem Motto, Promis ziehen eben immer.

Jetzt, nachdem der erste Aufschlag erfolgt ist, legen die „Süddeutsche“ und die internationalen Partner regelmäßig nach. Ganz einfach, um den Buzz möglichst hoch zu erhalten. Nicht nur aus einer Marktingperspektive ist das völlig legitim. Material dürften sie bei 2,6 Terabyte an Daten genug haben. Auch wenn es mittlerweile massenhaft Kritik gibt, beispielsweise zur Finanzierung des ICIJ oder zu der Frage, warum US-amerikanische Medien nicht berücksichtigt worden. Die SZ-Journalisten gehen zumindest vordergründig darauf ein, liefern beispielsweise ein umfassendes FAQ auch zu den kritischen Fragen nach. Hier liegt dann auch ein Stück weit eines der wenigen Schwachpunkte: Echte Interaktion und Auseinandersetzung mit der eigenen Community sieht anders aus. Übermedien beschreibt das als „Unterschied zwischen im Im-Internet-Arbeiten und Mit-dem Internet-Arbeiten“.

Dennoch dürfen wir gespannt sein, welche Enthüllungen noch anstehen. Und genau hieran zeigt sich, wie gut die Marketing- und PR-Kampagne Panama Papers funktioniert: Die Leute fordern mehr Content. SZ, bitte liefern.

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

One Response to “Der geniale PR-Coup der „Süddeutschen Zeitung“”

  1. Hat dies auf Olaf Grewe rebloggt und kommentierte:
    Dirk Popp stellt es richtig dar, vor allem, wenn die eigentlichen Inhalte „nur“ alter Wein in neuen Schläuchen ist. Die Leaks werden zur Meldung, nicht deren Inhalte (vgl. auch Sascha Lobo http://www.spiegel.de/netzwelt/web/panama-papers-leak-ist-pop-sascha-lobo-kolumne-a-1085692.html). Clever gemacht.

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