Klebergate Österreich: Verfahren auf der Leimspur Sep 13, 2016

Klebergate Österreich: Verfahren auf der Leimspur


Manche Geschichten sind so skurril, dass man sich wiederholt fragt, wer sich diese Story wohl ausgedacht haben mag. Nur um kurz darauf überrascht festzustellen, dass all das Unglaubliche weitestgehend wahr ist. In genau diese Kategorie fallen die vielen kleinen und großen Absurditäten rund um die Bundepräsidentenwahl bei unseren österreichischen Nachbarn.

Dort bekommt es die verantwortliche Administration, namentlich das Innenministerium in Wien, auch im zweiten Anlauf nicht hin, die Wahl zum Bundespräsidenten wie geplant durchzuführen. „Bananenrepublik“ witzeln nicht nur österreichische Medien. Grund hierfür sind nicht etwa politische oder gar verfassungsrechtliche Aspekte. Nein, die Wahl scheitert an der klitzekleinen Klebespur eines Briefumschlages. Diese nämlich verweigerte den Dienst – zumindest hin und wieder. So öffneten sich Kuverts ganz ohne fremde Einwirkung. Dumm nur, wenn es sich dabei um Briefwahlunterlagen handelt. Und damit womöglich hunderte Stimmen ungültig würden. Dem Innenminister, Wolfgang Sobotka, blieb schlussendlich nichts anderes übrig, als den Wahltermin abzublasen und dem Parlamemt einen neuen für Dezember vorzuschlagen.
Das Land ist bis auf die Knochen blamiert, viele Österreicher ärgern sich lautstark und sind mehr als peinlich berührt (Nun ja, wir Deutschen kennen das, Stichwort BER). Aus allen Ecken und Enden der Welt ergießen sich Spott und Häme. Ist doch die Steilvorlage einfach zu dankbar für allerlei Blödeleien rund um das #Klebergate. Gefühlt dauerte es nur Millisekunden, bis sich Witzbolde mit allerlei mehr oder weniger kreativen Ideen überboten. „Das Kleben der Anderen“, hieß es da. Oder: „Österreich ist derzeit von allen guten Kleistern verlassen.“ Ein anderer meinte „Mit Vorhängschlössern wäre das nicht passiert.“ Eine Fotomontage zeigt die österreichische Flagge, in der Mitte eine halbgeschälte Banane. Zu erwerben übrigens auf Amazon.

Als wäre das alles nicht genug, rieten Hotline-Mitarbeiter des Innenministeriums fragenden Anrufern, die fehlerhaften Kuverts mit einem Uhu-Stick einfach wieder zuzukleben. Dem wollte der eigene Minister offensichtlich in nichts nachstehen und lud flugs zur Pressekonferenz. Die Süddeutsche Zeitung merkte dazu süffisant an, diese hätte „Loriot gefallen“. Sobotka nutzte dabei so wunderbare Formulierungen wie „technische Situation des Klebers“ und referierte über dessen „technisches Gebrechen“. Einfach herrlich!

Bleibt am Ende zu konstatieren, dass selbst ein kleiner Klebestreifen ein veritables politisches Beben auslösen, einen desastatrösen Imageverlust fabrizieren und ein Land bis auf die Konchen blamieren kann. Ohne Zweifel mit wohlwollender Unterstützung der handelnden Akteure. Insofern gilt für alle Kommunikatoren: Seid gewarnt!

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

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