Niedersachsen: Das teuerste Wort der Landesgeschichte Sep 23, 2016

Niedersachsen: Das teuerste Wort der Landesgeschichte

 

Wann immer ein Bundesland sich anschickt, ein neues Logo, einen Slogan oder gar eine Imagekampagne auf den Weg zu schicken, regt sich reflexartig massiver Widerstand. Üblicherweise schießt sich zunächst der jeweilige politische Gegner auf das Thema ein. Vornehmlich mit der Begründung, dass man diese unnütze und qualitativ minderwertige Maßnahme jetzt gerade nicht brauche. Auch könne man das, viel zu üppige, Budget anders besser einsetzen. Selbstverständlich nutzen Medien solche Steilvorlagen nur zu gern und drehen die Geschichte mit eigenem Tenor weiter. Via Social Media wabert obendrein im Netz längst die Kritik. Ist es doch eine willkommene Gelegenheit, die aktuelle Landesregierung und/oder das politische Establishment zu attackieren. So gerade geschehen in Niedersachsen. Dort hat sich das Land einen neuen Claim verpasst. Ganz gradlinig heißt es ab sofort „Niedersachsen. Klar.“ Vorgestellt wurde der nicht eben langatmige Slogan in der hannoveraner Landespressekonferenz – vom Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) höchstpersönlich.

Kaum veröffentlicht, wurde „Niedersachsen. Klar.“ zum Objekt öffentlicher Diskussion. Süffisant bemerkte der NDR, dass die Niedersachsen jetzt nicht einmal mehr Luft für einen ganzen Satz holen müssten. Die Opposition, in diesem Fall die CDU, stürzte sich auf die Entwicklungskosten. „Das teuerste Wort der Landesgeschichte“ ließ man sich medienwirksam zitieren. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) war ähnlicher Meinung und ätzte „Ist dieser Slogan 11.500 Euro pro Buchstabe Wert?“ Im Netz machte sich das übliche Gemaule breit. Soweit, so normal.

Am Beispiel Niedersachens sieht man, wie schwer es ist, für ein Land zu werben. Zugegeben, die Norddeutschen sind durch allerlei peinliche Kampagnen gebeutelt. „Sie kennen unsere Pferde. Erleben Sie unsere Stärken“ hieß es früher mal. Zum Fremdschämen gruselig auch das letzte offizielle Tourismusvideo, ein Imagefilm als Musikvideo getarnt. Fernsehkomiker Oliver Kalkhofe, selbst Niedersachse, filetierte den Spot in seiner berühmt-berüchtigten Sendung „Kalkhofes-Matscheibe„.

Wegen derlei schlechter Beispiele wird von Kritikern der Wertbeitrag von Kommunikation für Länder und Regionen oft verleugnet. Ihre Argumente: Peinlich, nicht notwendig, bringt nichts, zu teuer. Leicht verwundert stellt man sich die Frage, ob heute wirklich noch jemand ernsthaft glaubt, ohne Marketing und Kommunikation auszukommen? Wohl kaum. Als leuchtendes Beispiel für erfolgreiches Ländermarketing wird gemeinhin „Wir können alles, außer hochdeutsch“ ins Spiel gebracht. Aber auch diese Kampagne hatte es anfangs schwer. Groß war die Ablehnung, überbordend das Genörgel. Heute gilt sie als die erfolgreichste eines Bundeslandes, wird als die Referenz benutzt, an der sich andere messen lassen müssen.

Wenn sich also ein Bundesland für eine Standortkampagne entscheidet, muss es ohne Wenn und Aber den professionellen Weg gehen. Neben politischem Willen und Durchhaltevermögen gehören dazu zwangsläufig formale Abläufe, wie Ausschreibung und Pitch. Beides bedeutet für Agenturen erheblichen Aufwand, oft werden mehrere zehntausend Euro an Vorlaufkosten fällig. Bei unsicherem Ausgang und ohne Bezahlung für die Unterlegenen. Der glückliche Sieger steht in der Pflicht, mannigfaltig Konzepte und Ideen zu entwickeln. Um diese in einem aufwendigen und steinigen Prozess in Verwaltung und Politik durchzuboxen. Bis sich beispielsweise der richtige Slogan herauskristallisiert hat, werden unzählige Brainstormings und Präsentationen abgehalten. Deren Ergebnisse werden üblicherweise heftig diskutiert, kritisch hinterfragt, intensiv überdacht, nur um am Ende meist verworfen zu werden. Das ist Tagesgeschäft für Agenturen, bedauern muss man diese deshalb nicht. Klar ist aber auch: Trotz gängiger Werberfolklore fällt einem die geniale Kampagne praktisch nie unter der Dusche ein. Gute Kommunikation ist kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Die kostet Energie, Zeit und Geld. Und ist nicht auf dem Ramschtisch oder gar kostenlos zu haben. Weder in Niedersachsen noch anderswo. Schon deshalb sind die 11.500 Euro pro Buchstabe jeden Cent wert.

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

2 Responses to “Niedersachsen: Das teuerste Wort der Landesgeschichte”

  1. Die Niedersachsen hatten auch ein neues Logo (stilisiertes Pferd) von MP Schröder (Agentur: SPD-Odeon Zwo). Man nannte es „das äppelnde Niedersachsenross“, war m.W. noch teurer und wurde später von CDU/FDP wieder einkassiert :-).

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