„Tofu ist schwules Fleisch“ Mrz 25, 2012

Oder: Warum eine Kampagne,
die nie verwendet worden ist,
jetzt für mächtig Zoff sorgt.

Eigentlich lief vor drei Jahren alles perfekt für Scholz&Friends: Man hatte eine sogenannte „Goldidee“, reichte diese beim renommierten Art Directors Club (ADC) ein und konnte mit einem silbernen Nagel letztlich auch punkten. Die begehrte Trophäe gab es für die Kampagne „Brandzeichen“ des Kunden „Maredo“. Soweit so gut. Nur hatte die Geschichte schon damals einen klitzekleinen Makel. Denn angeblich fand das Ganze zwar mit Billigung aber ohne Auftrag von Maredo statt. Und die beim ADC eingereichten Motive habe die Steakhauskette auch nie gesehen. „Kein Agenturkunde und keine Freigabe. Und wahrscheinlich noch nicht mal eine Schaltung. Das ist traurig“, meinte dazu Alexander Schill, Kreativchef des Wettberbers Serviceplan, kürzlich dazu in der WUV.

Allerdings interessieren solche Nicklichkeiten normalerweise niemanden außerhalb der Szene. Schon gar nicht nach so langer Zeit. Doch vor ein paar Tagen kochte die Sache auf einmal hoch. Plötzlich und unerklärlich kursierten die Motive „Tofu ist schwules Fleisch“ und „Wenn man Tiere nicht essen soll, warum sind sie dann aus Fleisch?“ im Netz und waren so schnell in aller Munde. Und die Krise für Scholz&Friends und Maredo da. Übrigens: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass das zeitliche Zusammentreffen mit dem Oberbürgermeister-Wahlkampf von Stuttgart zu tun hat. In diesem kandidiert Sebastian Turner, ehemals CEO von Scholz&Friends, für die CDU.

Wenn man sich die Mechanik der Krise anschaut, entwickelte sich der Ärger um die Kampagne nach klassischem Skandalisierungs-Muster: Zunächst entfachte sich die Empörung in der Web-Gemeinde selbst. Hier schlugen die meist humorlosen Wellen hoch (Twitter Hashtag #maredo). Parallel sprangen die üblichen Verdächtigen, also Verbände und Politiker, den Diskriminierten bei und forderten Abbitte und Wiedergutmachung. Maredo distanzierte sich vehement. Die Agentur Scholz&Friends wiederum entschuldigte sich flugs unter anderem im Horizont, weil das Motiv „in keinster Form die Haltung und Unternehmenskultur von Scholz&Friends widerspiegele“. Spätestens jetzt war die die ganze Geschichte in den klassischen Medien angekommen. Dort ging es dann auch fröhlich zur Sache. Mit der nicht gerade schmeichelhaften Headline „Tofu ist schwules Fleisch: Riesen-Zoff um diese Werbung“ machte beispielsweise die Hamburger Morgenpost auf. Der Spiegel schlug eine ähnliche Gangart an und meinte „Vielleicht sollte es lustig sein, vielleicht provokant. Am Ende war es aber nur peinlich“. Die Neue Presse titelte „Kreatives Desaster um schwules Tofu“.

Dass das Netz nicht nur Segen, sondern eben auch Fluch sein kann, haben wir ja bei crisiseverwhere.com schon öfter diskutiert. Was in letzter Zeit auffällt ist, dass relativ kleine Gruppen von Kritikern gewaltige mediale Wellen lostreten und Unternehmen ernsthaft in Bedrängnis bringen (siehe auch E wie einfach). In einem meiner Beiträge habe ich das Phänomen als „Aufregung erzeugt Aufregung“ beschrieben. Denn auch wenn die Plakatidee „Tofu ist schwules Fleisch“ politisch nicht korrekt sein mag, man über die Flughöhe von Kreativität und Humor kräftig streiten kann: Ob die Kritiker in der Überzahl sind, ist noch längst nicht ausgemacht. Oft sind sie einfach schneller, lauter und besser vernetzt – wissen also die Hebel des Social-Webs cleverer zu nutzen als die betroffenen Unternehmen. Unter kommunikativen Gesichtspunkten stellt sich in solchen Situationen die Frage: Gibt es vielleicht auch hier eine Mehrheit an Befürwortern, die sich eben nicht in die oft polemisch und einiger Heftigkeit geführten Diskussionen einmischen will? Wenn man sich die Kommentare unter dem Bericht der Hamburger Morgenpost oder dem Berliner Kurier anschaut, kann man das zumindest erahnen. Ein Ernie meint dort: „…Wie eine Minderheit so über die schweigende Mehrheit bestimmt, ist einfach nur erschütternd.“

Für Unternehmen bedeutet das: Wie kann ich im Zeitalter von Twitter, Facebook & Co meine Freunde, Fans und Supporter aktivieren? Die dann ohne die üblichen Schwere der offiziellen Verlautbarungen offen und direkt für eine Marke, ein Unternehmen oder ein Thema eintreten. Das ist und bleibt die große Herausforderung. Und diese sollte man definitiv nicht erst in der Krise angehen.

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

4 Responses to “„Tofu ist schwules Fleisch“”

  1. […] Artikelnavigation ← Vorherige […]

  2. „Für Unternehmen bedeutet das: Wie kann ich im Zeitalter von Twitter, Facebook & Co meine Freunde, Fans und Supporter aktiven?“
    Die Antwort für Unternehmen lautet: Einfach professionell arbeiten, damit so etwas nicht passiert.

    • Die Antwort ist einfach, nur scheint, die Umsetzung schwierig zu sein. Ob aus Kapazitätsgründen, Ahnungslosigkeit oder einfach nur aus Mangel ans Sensibilität. Da passt vielen noch nicht. Hinzu kommt, dass in vielen Companies noch sehr printlastig gedacht wird, sprich beispielsweise einer FAZ oder einem Handelsblatt wird mehr Aufmersamkeit und Kapazität gewidmet als dem Netz.
      Stichwort aktivieren: Damit sind ausdrücklich nicht „Like“ Button gemeint. denn wenn es hoch her geht, ziehen sich auch wohlgemeinte oft zurück. Richtige Supporter gibt es dann nur wenige.

  3. […] deren nichtgenehmigte Kampagne „Brandzeichen“ in eine mediale Krise schlitterte (siehe seperaten Beitrag auf crisiseverywhere.com), machte der Restaurantbetreiber in der Kommunikation vieles richtig: […]

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