Legende zum Fremdschämen Okt 30, 2013

Früher beherrschte er die Tennisplätze dieser Welt. Ein Held, ein Sport-Ass, ja ein Vorbild. Heute irrlichtert die einstige Legende nur noch durch die Medien, vorzugsweise im Boulevard – und hat wohl den richtigen Zeitpunkt für den Absprung verpasst.

Screenshot SPIEGEL.de

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Die Rede ist von „Bumm-Bumm-Boris“, „Bobbele“ oder „#TheBorisBecker“, wie er sich bei Twitter nennt. Dort hat die Tennislegende rund 300.000 Follower – und die schauen fasziniert zu, wie er sich tagtäglich selbst demontiert (z.B. SPIEGEL,  MOPO). Man ist erstaunt und möchte sich fast zwicken, ob das alles gerade wirklich passiert. Denn Selbstachtung und Stil sind offenbar Kategorien, die eine untergeordnete Bedeutung haben – in der Tragödie, die hier gerade gegeben wird.

Becker postet Bilder vom Wohlstandsbauch, posiert vor teuren Sportwagen, lobt freizügige Modelfotos oder giftet gegen andere Prominente wie Raab und Pocher. Auf Twitter preist er auch seine Biografie an, die der STERN mit den Worten „vom strahlenden Tennishelden zum Jammerlappen“ beschreibt. Der TAGESSPIEGEL ätzt „Boris Becker – ein Leben als Seifenoper“.

Screenshot Spiegel.de

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Den traurigen Höhepunkt der eigenen Demontage bildet zweifelsfrei der Auftritt in der Oliver Pocher Show. Die stets um Balance bemühte dpa beschreibt die Situation so: „Becker wirkt wie ein alter Gladiator, der gezwungen ist, noch einmal im Zirkus einzuziehen. Aber man stellt ihm keinen Kämpfer gegenüber, sondern nur einen Clown.“

Trotzdem sind sich die medialen Kommentatoren am Spielfeldrand uneinig. Ist Becker nun endgültig durchgeknallt, total verarmt oder einfach nur verzweifelt? Ist das Demontage oder Wandel? Vernichtet sich da ein Idol oder erfindet es sich etwa neu – so wie es andere Stars auch ständig tun? Auch wenn die negative Berichterstattung einem medialen Tsunami gleichkam, schwingt in so manchem Kommentar Bewunderung mit: „Eins ist unstrittig: Boris Becker schafft es auch 14 Jahre nach seinem Karriereende immer noch in die Schlagzeilen“ findet FOCUS.de nach der Buchpremiere. „Als Entertainer ist er eine Wucht“ kommentiert WELT.de den Auftritt in der Pocher-Show und defniert damit gleichfalls die neue mögliche Rolle von Boris Becker. Jetzt also „Entertainer“, nachdem es für ihn als „Geschäftsmann“ nicht geklappt hat: „Verzockt! Die bittere Wahrheit über den Geschäftsmann Boris Becker“ titelte der FOCUS.

Vielleicht geht es so: Becker sollte sein eigenes Medium werden, quasi seine eigene „Yellow Press“, mit der Hauptabteilung Trash. Er besitzt mit Twitter, Facebook und Instagram einigermaßen reichweitenstarke Distributionskanäle. Er hat, nein besser, er ist der Content. Er liefert zuverlässig in Text- Bild- und Videoformaten. Er hat hunderttausende treue Leser. Vielleicht lassen sich diese auf sogar auf Online-Bezahlmodelle ein à la „schalte jetzt deinen Premium-Account frei und lies, wen Boris gerade auf der WM VIP Tribüne in Brasilien trifft“. Oder noch besser: „Jetzt ist die Chance, dort (günstig) Werbung zu schalten“. Vielleicht heißt es also bald wieder: „Vorteil Becker“. Hört sich irgendwie gut an, klingt ironisch und auch falsch. So gesehen geht es mir wie so vielen, die teils belustigt, teils fremdschämend, darauf hoffen, dass das einstige Tennisidol doch noch in Würde abtritt. Aber dem steht wohl vor allem einer im Weg: Becker selbst.

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

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