Lufthansa: Wie viel Streik verträgt die Marke? Okt 09, 2014

Lufthansa

Ein bisschen muss sich Lufthansa-Boss Carsten Spohr fühlen wie Bill Murray in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier.“ Bereits zum fünften Mal innerhalb von vier Wochen ruft die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit zum Streik auf. Es geht – mal wieder – um den festgefahrenen Tarifkonflikt. Für die Piloten ist es wohl eines der letzten großen Gefechte, um die heutzutage realitätsfremden Besitzstände zu sichern. Auch deshalb trifft der Ausstand vom 30. September die Kranich-Linie gerade jetzt im hart umkämpften Langstreckengeschäft – ausgerechnet in einem reisestarken Monat. Also dort, wo es richtig weh tut. Das Unternehmen selbst spricht von einem erheblichen Reputationsschaden und Vertrauensverlust.

Was also macht Carsten Spohr? Er hält dagegen, schaltet sich höchstpersönlich in die Debatte ein und lässt parallel aus allen Kommunikationskanälen feuern. Spohr wendet sich per Videobotschaft an die vielen enttäuschten Kunden. Er wirbt um Verständnis und macht deutlich, dass der Vorstand eine Gesamtverantwortung für das Unternehmen hat – und nicht nur für die Piloten. Natürlich weiß er, dass die gutbezahlten Flugkapitäne in der Öffentlichkeit mit ihrer Position nicht unbedingt auf Wohlwollen treffen, die Forderungen in der Bevölkerung vielfach Kopfschütteln auslösen. Auf diese Karte setzt Spohr. Und das Wichtigste: Er versteckt sich nicht, schickt nicht – was einfach für ihn wäre – seine Unternehmenssprecherin vor. Vielmehr stellt er sich selbst vor die Kamera und knüpft damit ein Stück weit sein eigenes Schicksal an den Ausgang des Konflikts. So hat es zuletzt auch Andreas Bork von Burger King gemacht. Beide tun das Richtige: Wo es heftig brennt, muss der oberste Chef löschen.

Wie viel Glanz die Marke Lufthansa durch den Streik am Ende des Tages tatsächlich verlieren wird, lässt sich aus der Ferne schwer einschätzen. Es hängt letztlich von unterschiedlichsten Faktoren ab: beispielsweise vom Umgang mit Passagieren, die am Boden geblieben sind. Da genügt ein kurzer Blick auf Facebook, wo sich aktuell der Unmut seine Bahn bricht. Am Ende stellt sich durchaus die Frage: Wie zuverlässig ist das Gesamtsystem Lufthansa? Die wiederholten Angriffe auf die Marke sorgen für einen echten „Brand Drain“. Irgendwann sind das vielfach vorhandene Vertrauen und Wohlwollen eben auch aufgebraucht.

Auch wenn die Lufthansa selbst nicht immer etwas dafür kann, wenden sich frustrierte Kunden ab. Gebucht wird dann beim Wettbewerb, denn die Hürden hierfür sind mittlerweile sehr niedrig. Nach dem Motto: Wenn die Lufthansa nicht kann oder will tut es auch die Emirates. Und: Dort wird nicht gestreikt. Wenn dann das Gesamtpaket stimmt, kehrt man eben nicht zurück. Eine schleichende Erosion setzt ein. Das ist die wirkliche Gefahr für die Lufthansa.

Nachfolgender Kommentar ist im Original auf Horizont Online erschienen und ist auf meinem Blog dank der freundlichen Genehmigung der Redaktion verfügbar. 

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

One Response to “Lufthansa: Wie viel Streik verträgt die Marke?”

  1. Die Marke Lufthansa verfügt einen über Jahrzehnte entwickelten Schutzpanzer. Denn sie steht für die zwei wohl wichtigsten Werte in der zivilen Luftfahrt: Sicherheit und Komfort. Sicherlich, die Streiks zahlen nicht unbedingt positiv auf die Marke ein. Schon gar nicht, da der Claim „Nonstop you“ lautet. Momentan denken viele Lufthansa-Reisende vermutlich eher „Nonstop Streik“. Aber dennoch: solange die Maschinen der Lufthansa die Passagiere zuverlässig von A nach B bringen, dürfte das Vertrauen in die Marke Bestand haben. Das Langstrecken-Segment betreffend stellt sich für mich die Frage: Ist die Marke Lufthansa noch attraktiv für internationale Fluggäste? Bei einer Beinfreiheit von durchschnittlich 80 cm in der Economy Class sitzt es sich deutlich unbequemer als beispielsweise bei Emirates, Singapore Airlines oder British Airways (alle um die 90 cm). Noch scheinen zumindest die Deutschen überzeugt von ihrer Lufthansa. In der aktuellen Brandmeyer-Studie „Lieblingsmarken der Deutschen 2014“ belegt der Kranich als einzige Airline einen Platz in den TOP 50 (Rang 36). Damit ist Lufthansa hierzulande beliebter als Nutella (39) und die Sparkasse (49). Und ganz ehrlich: wer mag nicht das Gefühl, ein Stück Heimat zu betreten, wenn man in der Fremde von New York, Sydney oder Tokio an Bord geht und weiß: der Kranich bringt mich sicher nach Hause. Dieses Gefühl hält auch mehrfachen Streiks stand. Ob dies im internationalen Wettbewerb ausreicht, darf jedoch zurecht angezweifelt werden. Dem weltweit hohen Anspruch an deutsche Premium-Qualität muss Lufthansa wieder stärker Rechnung tragen, bevor der Sinkflug Fahrt aufnimmt. Denn die Deutschen allein werden für die Rentabilität der Airline nicht ausreichen.

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