Liebherr: Der Unfall in Mekka Sep 21, 2015

LiebherrEin Liebherr-Kran stürzte in Mekka auf eine Moschee, über 100 Menschen starben, hunderte wurden verletzt. Das Handelsblatt spricht vom folgenschwersten Unglück in der Geschichte der Liebherr Krane. 

Schwere Unfälle sind so gut wie immer von massiver Berichterstattung begleitet. Das gilt ganz besonders für Katastrophen, die nationale Heiligtümer betreffen. So auch beim Kranunfall in Mekka. Allerdings handelt es sich hier um einen besonders sensiblen Fall, geht es doch nicht nur um den Unfall und dessen Folgen an sich, sondern auch um den kommunikativen Umgang damit – mitten im religiösen Zentrum der arabischen Welt.

Dünnes Eis für Liebherr: Müssen doch neben der Ursachenforschung, der Bewertung rechtlicher Risiken und der Planung des Wiederaufbaus schon mit dem Start der ersten akuten Krisenkommunikation immer auch mögliche religiöse Perspektiven und Befindlichkeiten mitgedacht werden. Liebherr hat angemessen und professionell reagiert. Der Kranhersteller entsendete schnellstmöglich einen Experten nach Mekka, um bei der Aufklärung zu helfen. Dies hat man auch öffentlich erklärt – ein klares und wichtiges Signal. Gleichzeitig zeigt Liebherr Mitgefühl mit den Verletzten und den Angehörigen, ohne damit die Schuld für das Unglück auf sich zu nehmen. Häufig wird ja genau dieser Schritt aus vermeintlich rechtlichen Gründen ausgelassen – ein kapitaler kommunikativer Fehler, ein Brandbeschleuniger in der Krise.

Allerdings: Für Liebherr, aber auch für andere Unternehmen in ähnlichen Situationen, ist das Offenhalten der Schuldfrage, also die Balance zwischen Mitgefühl und Ursachenforschung genauso wichtig, ja vielleicht überlebenswichtig. Denn zu einem so frühen Zeitpunkt ist fast nie klar, welche Gründe genau zum Unglück führten. Als Unternehmen tut man gut daran, bei diesem Aspekt nicht zu forsch aufzutreten. Letztlich eine Zwickmühle. Liebherr hat das über eine Argumentation gelöst: Der Kranbauer macht klar, dass bei anderen Unfällen Bedienfehler die Ursache für das Unglück waren. Hier wird mittelbar aber deutlich die Botschaft gesendet, dass das Unternehmen nicht glaubt, die Ursache sei ein technischer Fehler. Dieses Argument zu nutzen, ist clever und konterkariert auch nicht die Botschaft des Mitgefühls.

Eine aktive Kommunikation scheint es bei Liebherr nicht gegeben zu haben, man setzte wohl hauptsächlich auf reaktive Statements. Vielleicht ist die Idee dahinter, die Story möglichst klein zu halten und einen Spill-Over-Effekt in das B-to-C Segment zu vermeiden (Liebherr Kühlschränke). Ein verständlicher Ansatz, vielleicht aber zu kurz gesprungen. Wenigstens auf der Presseseite hätte man bei einem Unfall dieses Ausmaßes ein schnelles Statement auch auf der Website erwartet. Dort fand man die ersten Tage nach dem Unglück noch eine Pressemeldung zu einem tollen Kran, erst später gab es dort eine kurze Beileidsbekundung.

Zusammengefasst: das Unternehmen hat schnell reagiert (mit der Entsendung des Experten), man hilft bei der Ermittlung der Unfallursachen, zeigt Empathie – macht aber auch klar, was die Ursachen für ähnliche Unfälle waren (Schutz des Unternehmens). So sieht professionelle Krisenkommunikation aus.

Fotocredit: Peter Gerken and licensed for reuse under this Creative Commons Licence.

Über den Autor

Dirk Popp

Dirk Popp

Er gilt als einer der renommiertesten Krisenkommunikations-Experten in Deutschland. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn, er könne ein angekratztes Image aufpolieren wie kaum ein Zweiter. Dirk Popp berät seit vielen Jahren DAX-Unternehmen, Mittelständler, Marken und Persönlichkeiten in Krisensituationen und bei der Kommunikation schwieriger Themen.

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