Dieser Beitrag ist zuerst auf www.pressesprecher.com erschienen.
Vielleicht war beim Verkünden der Quartalszahlen einfach zu wenig los. Oder aber Bernd Scheifele, Chef des deutschen Dax-Konzerns HeidelbergCement, langweilte der ewig gleiche, leicht fade Rhythmus aus Zahlenkolonnen. Möglicherweise überlegte er auch, wie man für das Q3-Ergebnis spontan doch mehr Aufmerksamkeit fürs Zementgeschäft erzielen könne.
Was auch immer den Boss von HeidelbergCement umtrieb, ausgerechnet am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, vom Bau einer Mauer zu schwadronieren – es funktionierte. Und so ließ Bernd Scheifeles die Öffentlichkeit an seinem visionären Tagtraum teilhaben. Der wiederum hat mit keinem geringeren als Donald Trump zu tun: Falls eine Mauer an der Grenze zu Mexiko gebaut werden würde, werde sie „nicht aus Holz gebaut, sondern aus Zement“, frohlockte der Konzernchef. Und bei einer Mexiko-Mauer „wären wir in Texas und Arizona nicht schlecht bedient“, man habe dort schließlich eigene Zementwerke.
Leider waren die Menschen da draußen nicht ganz so verständnisvoll wie erhofft. Vielleicht konnten sie auch einfach die unbändige Vorfreude eines Betonherstellers über eine dermaßen einzigartige Geschäftsgelegenheit nicht begreifen. Denn entgeistert über den, für viele Deutschen wohl eher geschmacklosen Gedankengang, stürzten sich Medien und Netzgemeinde auf das schmissige Zitat. „Endlich mal wieder eine große Mauer“, ätzte das Manager Magazin. Die taz meinte, dass „ein solch gigantisches Geschäft nichts ist, was sich Scheifele – etwa aus moralischen Gründen – entgehen lassen würde.“ In der Kolumne „Brief der Woche“ schreibt SWR-Redakteur Jan Seidel an den „lieben Bernd“ und bestärkt ihn in seinem Vorhaben, denn „Wer könnte besser eine lange, hohe Mauer zwischen zwei Staaten bauen als wir Deutsche?“ Zynismus pur. Auch die IG Bau meinte sich äußern zu müssen. Ihr Vorsitzenden Robert Feiger ließ sich per Nachrichtenagentur zitieren: „Nicht alles, was für ihr Unternehmen Umsatz verspricht, ist legitim. Es gibt rote Linien.“
Selbstredend war der Aufruhr in den sozialen Netzwerken ebenfalls groß. Beschämung, Unverständnis, Hohn und Spott allerorten. „Willkommen in Trumpworld: Wenn normale Nachrichten sich wie Satire anhören“, war in einem Tweet zu lesen. Oder „Keine Ente von Der Postillion: Endlich mal wieder eine große Mauer.“ Ein anderer Nutzer brachte es so auf den Punkt: „HeidelbergCement will Trump’s Mauer bauen? Mehr Fremdschämen geht nicht.“ Mühelos könnte man zahllose ähnliche Posts zitieren.
Die persönliche Reputation und die des Unternehmens wegen einer knackigen Aussage zu riskieren? Wohl nicht. Auch wenn manch ein PR-Profi nach dem Wahlkampf in den USA meint, es wäre auch in Deutschland an der Zeit, markigere Töne anzuschlagen.
Das Bauchgefühl, der gesunde Menschenverstand, oder vielleicht einfach nur die Nachfrage bei den eigenen PR-Leuten hätten warnen müssen. Oder auch der Blick über den Tellerrand. Es gab mal einen Deutsche-Bank-Chef, der kurz vor dem Mannesmann-Prozess die Hand zum Victory-Zeichen hob. Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden. Das Foto blieb dennoch über die Jahre das personifizierte Sinnbild für raffgierigen Turbokapitalismus. Sicher, Scheifeles Zitat hat nicht diese Dimension. Dennoch erscheint es vielen Beobachtern, dass dem Chef des kurpfälzischen Baustoffkonzerns der moralische Kompass abhanden gekommen ist. Oder dieser doch zumindest nicht richtig geeicht ist. So ein Image hat am Ende noch keinem Unternehmen gut getan. Selbst dann nicht, wenn HeidelbergCement die eigene Schmerzgrenze für sich selbst sehr hoch legt.
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