Es gibt Themen, mit denen eine Marke auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden will, weil sonst der kommunikative Supergau droht: Kontakte zu Neonazis, sexuelle Eskapaden des Top-Managements oder aber miese Hygiene bei einem Nahrungsmittelproduzenten gehören dazu. Und Kinderarbeit.
Letzteres aber passiert gerade der Marke „Kinder Überraschung“ von Ferrero. Denn das britische Massenblatt Sun enthüllte, dass bei der Befüllung der beliebten Überraschungseier auf Kinderarbeit zurückgegriffen wird. BILD springt heute prompt auf und macht daraus die Schlagzeile auf Seite 1: „Kinder-Arbeit beim Überraschungsei“. Und schiebt „Justiz ermittelt auch wegen Verdachts auf Kinderhandel“ nach. Gar von „Sklavenarbeit“ ist die Rede. Der ultimative Albtraum eines jeden Kommunikators.
Andere Medien ziehen unmittelbar nach, zu schön ist das Thema. Keine Frage, der Supergau droht nicht nur, er ist da. Denn Kinderarbeit ist der ultimative Hammer gegen die etablierte Marke „Kinder Überraschung“. Und wird das Unternehmen sicher nicht nur in den nächsten Tagen beschäftigen. Ferrero hat zumindest in einer ersten Stellungnahme richtig reagiert: „Wir sind entsetzt und tief betroffen“, heißt es in einem Statement. Gleichzeitig wird Aufklärung versprochen.
Allerdings stellt sich die Frage, was nun genau passieren sollte, welche kommunikativen Maßnahmen greifen müssen. Sich der Diskussion zu entziehen, ist keine Option. Obwohl im Netz längst der Entrüstungssturm tobt, zeigen sich Marke und Unternehmen seltsam zögerlich. Natürlich steht man aufgrund der gerade erst erhobenen Vorwürfe noch am Anfang, aber anstatt die eigene Haltung auch im Netz klar und deutlich zu kommunizieren, gibt es bis dato keine Reaktion. Auf der Website www.kinderüberraschung.de wird noch fröhlich ein Gewinnspiel beworben, auch auf Facebook sucht man eine Reaktion bislang vergebens. Auf der Presseseite von Ferrero: Kontaktdaten, aber keine Stellungname.
Dabei müsste die Marke jetzt kommunikativ Tempo aufnehmen und könnte es auch problemlos tun. Denn die eigenen Haltung ist längst definiert: „Wir sind entsetzt und tief betroffen und versprechen Aufklärung“. Das wurde gegenüber BILD öffentlich gemacht, dann sollte auch das Social Media-Team damit losgelegen können. Und natürlich braucht es eine Überprüfung der Vorwürfe. Denn es gibt durchaus Zweifel an der Story, die wiederum für Ferrero sprechen. Externe Ermittler oder ein Qualitätsinstitut wären eine Antwort, die die Öffentlichkeit versteht und akzeptiert.
Auch wenn die Wogen gerade hoch schlagen, ist im Prinzip klassische Krisenkommunikation angesagt: Die eigene Position klar machen, immer wieder und auf allen Kanälen. Dazu wäre ein offizieller Post auf Facebook notwendig, ergänzend ein Videostatement. Um dann (endlich) in die Diskussion mit den Verbrauchern einzusteigen. Strategisch ebenfalls sinnvoll: Die Diskussion zu kanalisieren, also sich auf einen, maximal zwei SoMe-Kanäle zu konzentrieren. Natürlich muss parallel die Medienarbeit strategisch betrachtet werden: Wem gibt man Statements, wer hat Priorität. Soll die Marke mit eigenen Statements im TV stattfinden, ja oder nein? Wer wird das Gesicht der Krise? Sicherlich ist es bedenkenswert, dem aktuell größten Kritiker, BILD, Rede und Antwort zu stehen.
Grundsätzlich ist in einer derartigen Krise eine flexible kommunikative Strategie sinnvoll. Zu häufig wechseln die Faktoren, als dass man sich sehr früh festlegen kann. Hinzu kommen rechtliche Aspekte, die auch bei Ferrero eine beträchtliche Rolle spielen dürften. Dennoch gilt: Abtauchen ist keine Option. Wenn Ferrero für das Ü-Ei jetzt die richtigen Schritte wagt, kann die Marke am Ende sogar gestärkt aus dieser Krise hervor gehen.
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